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"Welcome to Slavery" oder Grüße aus Rongcheng

Eine belebte Straßenkreuzung mitten in der Siegener Innenstadt, im Kreuzungsbereich, hoch oben an einer Hausfassade, hängt eine LED Mediawand. Werbespots werden abgespielt. Plötzlich ist für einen kurzen Moment eine Schwarzweiß-Grafik zu sehen. Man sieht die Konturen eines menschlichen Kopfes. Die eine Hälfte des Gesichts vollflächig schwarz, die zweite schwarzweiß gestreift, die Augen - Barcodes. Dazu ein Text: "Welcome to Slavery" Willkommen in der Sklaverei? Dann läuft wieder normale Werbung. Was war das? Unwillkürlich stellt man sich diese Frage. Man bleibt leicht irritiert stehen. Plötzlich erscheint der Kopf erneut auf der Mediawand und erscheint wiederholt immer wieder mal zwischen all der Werbung. Mit normaler Werbung, das ist einem schnell klar, kann das nichts zu tun haben. Es ist die neueste künstlerische Arbeit des Künstlers Jürgen Stahl, sonst eher durch seine spektakulären Illuminationen bekannt, zum Thema Big Data und die immer deutlich werdenden negativen Entwicklungen. Er zeigt seine Arbeit ganz bewusst im Kontrast zu der sonst üblichen Werbung auf dem riesigen Bildschirm an Kochs Ecke. Sie soll zum Nachdenken anregen und evtl. sensibilisieren. Er wirft die Frage auf: In was für eine Zukunft will man als Gesellschaft streben und welche Optionen hat man noch, bei einer immer rasanteren Entwicklung der zunehmenden digitalen Welt, bestimmten negativen Entwicklungen entgegenzuwirken oder aufzuhalten? Wie weit ist es dem Einzelnen bewusst, welchen Einfluss die digitale Welt auf das Leben bereits ausübt? Sieht man nach China auf die Stadt Rongcheng (Pilotprojekt für das „Social Scoring“-System mit dem Versuch der totalen Kontrolle der Bevölkerung durch allgegenwärtige Überwachung) ist man gewarnt und sieht, welche Orwell‘schen Ausmaße es bereits angenommen hat. So wird frühere Science Fiction Phantasie zur Realität. Aber das eifrige Datensammeln und Mitlesen aller möglichen Inhalte ist kein Alleinstellungsmerkmal, das man ausschließlich den totalitären Staaten zuordnen könnte. Auch in Europa, den USA oder anderswo auf der Welt geht es nicht viel anders zu. Wobei hier nicht ausschließlich die FANGKonzerne (Facebook, Amazon, Netflix und Alphabet [Google]) zu nennen sind. Sie sind lediglich die größten Player. Diese und daneben noch viele weitere Firmen und Institutionen machen uns zu gläsernen Konsumenten und wir (die mündigen Bürger?) sind dabei mittlerweile auch noch sehr behilflich. Ob durch Nutzung des Smartphones oder beim bequemen Shoppen, ob von unterwegs oder Zuhause. Ob beim Surfen durchs World Wide Web und mit ein paar Klicks der Konditionierung als Mensch aufs Konsumieren folgend und frönend, in dem man immer wieder neue Dinge kauft, die man meist gar nicht braucht. Ob Social Network, Social Media, ob Facebook, Instagram, Twitter usw. Unsere Daten werden gesammelt und es wird mitgelesen wie wir ja spätestens seit E. Snowdens Enthüllungen wissen. Ob Staatsoberhaupt (Kanzlerin Merkel/NSA) oder normaler Bürger. Man sammelt Daten, legt Profile an und platziert mit Alexa und Co. den Kunden noch Abhörstationen ins heimische Nest. Alles ist nur noch Smart. Smartphone, Smarthome, Smart Live, Smart ... Doch der Preis für diese bequeme smarte neue digitale Welt ist hoch. Denn es steht, so die Ansicht des Künstlers, nicht weniger als die Freiheit und Demokratie auf dem Spiel oder sind zumindest sehr gefährdet. Die persönliche Freiheit, die Privatsphäre, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, all das spielt in der neuen digitalen Welt scheinbar keine Rolle mehr und wird eliminiert. Der Künstler will mit seiner Arbeit auf die Diskrepanz hinweisen, die zwischen analoger und digitaler Welt besteht. Wir leben zwar alle gefühlt in einer analogen Welt doch parallel dazu leben wir auch in einer digitalen. Einem Paralleluniversum gleich existiert sie virtuell neben unserer analogen Welt. Aber in dieser gibt es keine Privatsphäre mehr, hier sind wir gläsern. Unser Alter, unser Kaufverhalten, unsere sozialen Kontakte, unsere Vorlieben, unsere Interessen und Hobbys. Es gibt keine Privatheit im Netz. Aber wohin führt all diese Technologie. Steht am Ende eine systematisch überwachte Welt und eine zu Unfreiheit umerzogene Menschheit? Jeder Einzelne gläsern und durchleuchtet? Und kann man genau so wenig wie man die Atomkraft kontrollieren kann, auch die digitale Welt eben nicht kontrollieren? Wenn man weiß, was alles schon durch Algorithmen gesteuert oder kontrolliert wird, stellt man fest, dass in immer mehr Lebensbereichen die digitale Technologie Einzug hält. Ob sinnvoll oder nicht, es wird erst einmal gemacht. Wir haben uns in eine digitale Abhängigkeit begeben, aus der es so einfach kein Zurück gibt. Es gibt heute z.B. bereits Firmen, die noch vor der betreffenden Person von deren Schwangerschaft wissen können allein durch deren verändertes Verhalten (Kaufverhalten) Und bei all der schönen neuen Welt, so der Künstler, wäre es doch interessant mal die Frage zu stellen, wohin uns das führt und ob ein vermeintlicher technologischer Fortschritt in manchen Fällen nicht eher ein Rückschritt für eine Gesellschaft sein kann. Quo vadis Big Data? Willkommen in der schönen neuen Welt. Die Empfehlung des Künstlers: Digital Detox. Die Kunstaktion ist einen Monat lang seit dem 1.Februar auf dem Mediaboard an Kochs Ecke zu sehen. Besonderer Dank gilt dem Kreis Siegen- Wittgenstein und dem Aktionsfonds Kultur der Stadt Siegen, die, die Kunstaktion unterstützen.

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